Haushaltsrede zum Haushalt 22

Hier die Haushaltsrede der Grünen Ratsfraktion aus der Ratssitzung am 17.12.2021, gehalten von Fraktionssprecher Bruno Heinz-Fischer. Es gilt das gesprochene Wort.


Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Ratskolleginnen und –kollegen, meine Damen und Herren,

der Haushaltsentwurf 2022 ist außergewöhnlich in seinen Randbedingungen:

-Die Stadt verfügt seit langem über keine Rücklagen mehr, die in Notsituationen wie einer Pandemie genutzt werden könnten.

-Die Investitionsliste umfasst einige dringliche Großprojekte, die keinen längeren Aufschub dulden und die den Schuldenstand auf ein nie gekanntes Maß erhöhen werden.

-Ohne die Bilanzierungs“hilfen“ wäre der Haushalt 2022 nicht ausgeglichen – so wie der für 2021. Die Belastung durch die Pandemie wird ja nicht durch echtes Geld ausgeglichen, sondern lediglich auf die Jahre ab 2025 verschoben.

-Der Haushalt ist aufgestellt worden zu einer Zeit, in der die Inzidenzen deutlich niedriger lagen und in der eine Omikron-Variante noch nicht eingeplant werden konnte. Eine verlässliche Prognose darüber, wann die Pandemie keine gesamtwirtschaftlichen Folgen mehr haben wird, ist schlichtweg nicht möglich.

Zusammengefasst: Diese außergewöhnlichen Randbedingungen, sprich auch: Risiken, fordern von uns besondere Sorgfalt, Weitblick und eine kritische Betrachtung unserer bisherigen Herangehensweise bei der Aufstellung der jährlichen Haushalte.

1. Die Gemeindeordnung NRW gibt uns klare Vorgaben zur Haushaltsführung in den § 10 Wirtschaftsführung und § 75 Allgemeine Haushaltsgrundsätze. Deren Aussagen in Alltagssprache übersetzt: Wir können nur so viel ausgeben (für Pflichtaufgaben und unsere politischen Wünsche), wie wir einnehmen.

Mir scheint, dass wir als Rat uns vor allem auf den ersten Teil konzentrieren: die Pflichtaufgaben und unsere Gestaltungswünsche. Dort begründen wir mit großem Eifer, warum dieses oder jenes Projekt unbedingt sein muss. Dann braucht es noch einen Mehrheitsbeschluss, und schon ist der Bestelldeckel eine Position länger geworden. Dann ist das nächste Projekt dran und das übernächste… – und unser Deckel wird länger und länger, ohne dass wir uns unterwegs vergewissern, dass wir den Deckel in Summe auch bezahlen können.

Genau an dieser Stelle müssen wir besser werden! Zwar muss der Kämmerer den Rat begleiten in der Rolle des Kassenwartes und immer wieder auf die Grenzen kommender Haushalte hinweisen. Dennoch bleibt es unsere Zuständigkeit und Verantwortung! Wir als Rat müssen immer mit bedenken, wie wir Ausgaben und Einnahmen in Einklang bringen. Diese Orientierung findet sich auch im Zielsystem der Stadt (HH-Entwurf, Band 1) unter ´Zukunftssicherheit´ wieder, ich zitiere:
„Durch strikte Haushaltskonsolidierung werden langfristig ausgeglichene Haushalte erreicht. Der Abbau der Überschuldung und die Schaffung neuer Handlungsspielräume stehen im Fokus.

2. Der vorgelegte HH-Entwurf kommt auch in der mittelfristigen Planung zu positiven Jahresergebnissen; gleichzeitig ist absehbar, dass das nur Bestand hat, bis die Großprojekte aus der Investitionsliste (und die Bilanzierungshilfen!) abgeschrieben werden müssen.

Er erfüllt damit eine der Mindestvoraussetzungen für seine Genehmigung. Wir sollten uns trotzdem nicht selbst täuschen über die tatsächliche finanzielle Lage unserer Stadt. Dabei ist es durchaus gut, dass die Liste der Investitionen jetzt auf dem Tisch liegt: Die meisten Positionen darin sind ja unstrittig dringend, einige von ihnen schieben wir seit längerem vor uns her. „Alles auf dem Tisch“ zu haben ist übrigens eine notwendige und wichtige Voraussetzung dafür, dass Prioritäten richtig gesetzt werden.

3. Wir sagen ja zur Erfüllung der Pflichtaufgaben der Stadt. Natürlich sagen wir ja zum Jugendhilfeplan im vorliegenden Umfang und sind dafür bereit, manche Kröte zu schlucken. Beispiele: eine Verringerung des Aufwandes beim Klimagarten Wandhofen, nicht-optimale Standards bei den großen Bauvorhaben unter Aspekten der Klimafolgenvorsorge.

4. Die finanzielle Schieflage der Stadt Schwerte ist auch bedingt durch Aufgaben, die von Bund und Land vorgegeben werden ohne auskömmliche Finanzierung. Der Einsatz für eine nachhaltige Entschuldungsaktion auf den höheren Ebenen ist deshalb richtig und angeraten – allerdings verbunden mit unklaren Erfolgsaussichten. Deswegen: Uns bleibt nichts anderes übrig, als unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: Bei allen Entscheidungen, die wir zu treffen haben, müssen wir unsere finanziellen Grenzen berücksichtigen.

5. Zum vorhin erwähnten Einklang zwischen Ausgaben und Einnahmen müssen wir daran erinnern, dass es dafür nur drei Stellschrauben gibt:

5.1. Ausschüttung von Gewinnrücklagen der städtischen Töchter in den Stadthaushalt. Dies wäre ein Griff in die Spardose der Töchter, die dieses Geld für ihre eigene Weiterentwicklung brauchen. Im Übrigen ist diese Maßnahme nur begrenzt möglich. Insgesamt stünden ca. 23 Mio. € Rücklagen zur Verfügung – diese Methode können wir nicht empfehlen.

5.2. Erhöhung der Einnahmen, d.h. z.B. Steuererhöhungen bei Grundsteuer B und/oder höhere Einnahmen aus Gewerbesteuern und Gebühren. Das darf kein Tabu sein, sehr wohl aber „ultima ratio“ bei allen anstehenden Entscheidungen mit finanziellen Auswirkungen in die Haushalte.

5.3. Abspecken bei den Ausgaben – das ist die Maßnahme, die wir als Grüne empfehlen, und zwar nicht nur bei den Großprojekten, sondern auch bei vielen kleinen Positionen, wobei es gilt, nicht das jeweils Beste zu realisieren, weil es i.d.R auch das teuerste ist, sondern das wirtschaftlich Tragbare. Natürlich gilt immer: Die Projekte müssen so ausgestattet sein, dass sie ihren Zweck gut erfüllen. Leitfrage muss immer sein: Sind die Projekte in der geplanten Größe und Ausstattung so wichtig, dass wir dafür notfalls auch Steuererhöhungen durchsetzen würden?

Diese drei Stellschrauben sind so zu bewegen, dass Spielraum bleibt bzw. entsteht für zukünftig aufkommende dringliche Vorhaben (Pflichtaufgaben, Substanzerhalt städtischer Infrastruktur, Daseinsvorsorge, Klimafolgenanpassung u.a.). Haushaltsdisziplin an beiden Enden – Einnahmen und Ausgaben – ist folglich das Gebot der nächsten Jahre.

6. Wir stimmen dem Haushalt zu, allerdings mit schweren Bedenken.
Die liegen in der Größe der anstehenden Aufgaben begründet und an Zweifeln, ob wir alle miteinander die erforderliche Haushaltsdisziplin aufbringen werden. Wir als grüne Fraktion sind zu dieser Haushaltsdisziplin bereit – und laden hiermit zu einem Wettbewerb der besten Ideen ein!

7. Im übrigen sind wir der Meinung, dass wir zur sachlichen Debatte im Rathaus mit allen Fraktionen zurückfinden sollten – und dass das Ringen um eine haushaltsgerechte Lösung auch bei den anstehenden Großinvestitionen, z.B. der TFG-Zukunft nicht etwa vom politischen Gegner verteufelt werden sollte. Dabei müssen wir uns an unser eigenes „Zielsystem“ erinnern und unseren ehrlichen Willen gegenseitig nicht in Abrede stellen lassen, das Beste für unsere Stadt zu wollen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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